Rechenzentren
FAKE VIEWS – Eva & Franco Mattes. Frankfurter Kunstverein (FKV), Ausstellung –
DIGITALE INFRASTRUKTUR – Radwanderung mit Benedikt Ackermann,
Die Rechenzentren, die uns der Städelschulkünstler Benedikt Ackermann zeigt, sind Kästen, zeigen nur ihre Wände und sind von Gitterzäunen umschlossen. Fenster werden nur manchmal auf Wunsch der Anwohner vorgetäuscht.
Die digitale Welt wächst seit Jahrzehnten in vielen ihrer Ausformungen unbeachtet vor sich hin, wird von Künstlerinnenn und Künstlern und Kunstausstellungshäusern weitgehend ignoriert. Vielleicht auch weil die Wirklichkeit nicht zu toppen scheint.
Eva & Franco Mattes leben mit der Welt des Internets und sind frühe Pioniere der Internetkunst. Hier zeigen sie uns, wie Eva ausführt, ein Museum, einen Kunstverein, symbolisch als Computerzentrale, als Rechenzentrum.
Eins der neueren Kunstwerke von Eva & Franco Mattes, das "P2P" im oberen Stockwerk, zeigt einen Rechner in einem Gitterkasten. Und sonst nur architektonische Installationselemente. Auch die Installation "Personal Photographs November 2007" von 2023 zeigt nur architektonische Installationselemente. Im Rechner zirkulieren künstlerische Arbeiten befreundter Künstlerinnen und Künstler, in den Röhren der anderen Installation zirkulieren die persönlichen Fotografien. Das Künstlerpaar benutzt die Ästhetik und Formensprache der Rechenzentren, die eine Nicht-Ästhetik und Nicht-Formensprache ist, folgt sie doch allein dem Ziel nach einem möglichst niedrigen Preis.
Vielleicht geben uns die Rechenzentren nach den kunsttheoretischen Diskussionen der vergangenen Jahrhunderte ein Gefühl des "Erhabenen", eine leichte Furcht, ein leichtes Erschauern.
Bei einem Rechenzentrum gibt es Richtantennen, die Daten im Auftrag der Börse über mehrere Zwischenstationen funken, z. B. nach London oder in die Schweiz. Jede Millisekunde entscheidet über Geld. Über den Atlantik wird mit Kurzwelle gefunkt. Diese vergleichsweise archaischen Formen sind nicht die einzigen. Es gibt natürlich auch die Glasfaserkabel, die aber manchmal Umwege machen und an sich anfällig sind, da sie sich stellenweise über ihre Deckel im Straßenraum präsentieren, wenn auch unauffällig. Es gibt aber meist so viele Wege und Netze, dass keine Ausfälle passieren, nur Verzögerungen. Die digitale Infrastruktur präsentiert sich nicht als "erhaben", sondern eher als chaotisch gewachsen und unsicher temporär.
Die Rechenzentren erkennt man an den Klimaanlagen, den Schornsteinen der Notstromagreggate und ihrem leisen Summen. "Die Erde ist unbewohnbar wie der Mond" ist ein Roman über Frankfurt von Gerhard Zwerenz von 1973 und danach 1975 ein Drehbuch von Rainer Werner Fassbinder. Bei den Rechenzentren ist die Erde noch unbewohnbarer.
Bernd Ackermann zeigte eine Installation im Frankfurter Kunstverein in der Ausstellung "And This is Us 2023 – Junge Kunst aus Frankfurt", bei der er ein bewegtes ästhetisches Lichterspiel aus eigenen und per Überwachungskameras gefundenen Fotografien präsentierte. Auch hier blinkt das "Erhabene" durch.
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Kirsten Kötter,